Die Woche in Washington — Die Pandemie trifft die amerikanische und Weltwirtschaft hart

von Andrew C. Adair, J.D.

Die Pandemie trifft das amerikanische Volk und die amerikanische Wirtschaft

Da sich das Epizentrum der Covid-19-Pandemie von Europa in die Vereinigten Staaten verlagert, sagen US-Beamte nun, dass die Zahl der amerikanischen Todesopfer selbst mit Schutzmaßnahmen wie „Social Distancing“ 240.000 erreichen könnte. Trotz fieberhafter Forschung bleiben die Behandlungsmöglichkeiten vorerst begrenzt, und die Entwicklung eines  Impfstoff wird mindestens 18 Monate dauern. Am schlimmsten ist die Lage in der Region New York, wo der Höhepunkt noch mindestens eine Woche entfernt ist. Andere Teile des Landes wie Washington, D.C., Los Angeles, Chicago, Detroit, Miami und New Orleans werden in den kommenden Wochen New York als die neuen Hotspots ablösen.

Die Pandemie hat die amerikanische und die Weltwirtschaft vollends in Mitleidenschaft gezogen. Das Wall Street Journal berichtete gestern, dass mindestens ein Viertel der US-Wirtschaft jetzt still steht. Die verblüffenden Arbeitslosenzahlen in den Vereinigten Staaten (10 Millionen neu registriert in den letzten zwei Wochen; wahrscheinlich weitere 5 Millionen in dieser Woche) spiegeln nur den Beginn des wirtschaftlichen Einbruchs wider, die die Finanzkrise von 2008/09 leicht in den Schatten stellen und eher der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre („Great Depression“) ähneln könnte. Sowohl die Weltbank als auch der IWF sagen nun eine große globale Rezession voraus; der geschäftsführende Direktor des IWF sagte, die derzeitige Krise sei „viel schlimmer“ als die Finanzkrise.  

Im Nachgang der Ereignisse wird sich herausstellen, wie sehr viele westliche Ökonomen die Auswirkungen der Pandemie unterschätzt haben. Noch am 22. März prognostizierte Fitch Ratings, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2020 eine Rezession vermeiden würde (diese Prognose wurde später revidiert). Die OECD gab vor vier Wochen eine ähnliche Prognose heraus (sie prognostizierte für 2020 ein globales Wachstum von 1,5 Prozent). Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank sagte Ende Februar eine weltweite Gesamtzahl von 30.000 Todesopfern voraus (mehr als doppelt so viele wie bereits jetzt an Covid-19 verstorben sind).    

Schwierige transatlantische und globale Zusammenarbeit 

Die U.S. Chamber of Commerce drängt darauf, dass die Vereinigten Staaten und Europa eine kollektive Führung als „die führenden Triebkräfte der globalen Reaktion“ übernehmen. Unterdessen vertiefen sich die Gräben zwischen den USA und der EU, wohl auch während der Pandemie. Die EU hat nun zusammen mit 15 anderen Nationen ihre Alternative zum WTO-Berufungsgremium angekündigt. INSTEX führte letzte Woche seine erste Transaktion durch, in deren Rahmen Deutschland, Frankreich und Großbritannien medizinische Güter in den Iran lieferten. INSTEX wird wahrscheinlich auf humanitäre Hilfe beschränkt bleiben, bleibt aber dennoch ein Streitpunkt zwischen Europa und Washington. Das Weiße Haus hat auch eine neue nationale Strategie zu 5G veröffentlicht und ein neues Gremium zur Überprüfung der Beteiligung ausländischer Akteure an den Telekommunikationssystemen des Landes eingerichtet. Das Vereinigte Königreich hat seine Digitalsteuer am 1. April eingeführt. Ein leichter Silberstreifen am Horizont: Die als CARES-Gesetz bekannte 2,2 Billionen-Dollar-Rettungsmaßnahme durch den Kongress enthält eine Rettungspaket für Boeing im Wert von bis zu 17 Milliarden Dollar, was zu einer Beendigung der Gespräche zwischen den USA und der EU über Zölle (als Gegenmassnahmen zu Flugzeugbausubventionen) beitragen könnte. 

Multilaterale Foren haben sich in den vergangenen Wochen auch an einer Reihe von außerordentlichen Gipfeltreffen beteiligt, um die internationale Zusammenarbeit zu forcieren. Die G7 gaben eine Erklärung der Staats- und Regierungschefs heraus, in der sie sich verpflichteten, „alles Notwendige“ zu tun, um die Pandemie zu bekämpfen und „Störungen in den internationalen Lieferketten zu beheben“. Der französische Präsident Macron forderte jedoch die USA (derzeit Präsident der G7) auf, den Aufruf zu initiieren. Darüber hinaus gelang es den G7-Außenministern nicht, einen Konsens über eine Erklärung zu erzielen, da sich der US-Außenminister Mike Pompeo weigerte, eine Erklärung zu unterzeichnen, da hierin Covid-19 nicht „Wuhan-Virus“ genannt wurde. 

Die Staats- und Regierungschefs der G20 trafen sich auch telefonisch und versprachen, mindestens 5 Billionen Dollar in die Weltwirtschaft zu investieren und „Störungen des Handels und der globalen Lieferketten zu minimieren“, obwohl sie sich nicht zum Einfrieren von Sanktionen (wie von Wladimir Putin gefordert) äußerten. Die Trump-Administration hat die Sanktionen gegen den Iran und Venezuela während des Ausbruchs weiter verschärft. Mitglieder des US-Kongresses beider Parteien fordern die EU sogar auf, neue Sanktionen gegen russische Akteure zu verhängen, in Erwartung einer Einmischung in die US-Wahl im November.  

Die Handelsminister der G20 haben sich in einer Erklärung auch darauf geeinigt, dass die Notfallmaßnahmen vorübergehend sein und keine unnötigen Handelshindernisse schaffen sollten. Kleinere Gruppen von Nationen haben sich verpflichtet, den offenen Handel aufrechtzuerhalten. Inzwischen haben auch mindestens 60 Regierungen seit dem 1. Januar Exportbeschränkungen für medizinische Güter angekündigt. Die Europäische Union hat Mitte März eine sechswöchige anfängliche Beschränkung für Schutzausrüstung verhängt. EU-Handelskommissar Phil Hogan verteidigte diese Beschränkungen vor der G20 als eine vorläufige Notfallmaßnahme. Die USA hatten bis letzte Woche keine Exportbeschränkungen für medizinische Güter verhängt, bis das Weiße Haus eine Verordnung erließ, mit der bestimmte persönliche Schutzausrüstungen (PSA), einschließlich N95-Atemschutzmasken, für den amerikanischen Bedarf zugelassen wurden. Dies geschah, nachdem die US-Regierung erfahren hatte, dass der amerikanische Hersteller 3M Atemschutzmasken aus den Vereinigten Staaten an Käufer in Kanada und Lateinamerika exportiert hatte. In diesem Zusammenhang wird auch der deutsche Hersteller Dräger im Laufe dieses Jahres mit der Herstellung von Masken in den Vereinigten Staaten beginnen.  

Trotz der Krise, ein einzelfallbezogener Ansatz bei Importzöllen 

Die Covid-19-Krise hat die Nachfrage nach vielen Produkten und damit auch die globalen Lieferketten – insbesondere bei medizinischen Produkten – durcheinander gebracht. In den USA sind die Importe von medizinischen Hilfsgütern zurückgegangen, während der Mangel an Beatmungsgeräten und PSA in amerikanischen Krankenhäusern zugenommen hat. Inzwischen haben die amerikanischen Hersteller im ersten Quartal 2020 auch große Mengen an medizinischem Material exportiert, was die derzeitige Knappheit in New York und anderen Gebieten noch verschärft hat. 

Um auf die Versorgungskrise zu reagieren, drängen viele die Trump-Administration dazu, die Zölle zu senken, die sie in den letzten zwei Jahren eingeführt hat – zumindest für die für die Pandemie erforderlichen Lieferungen. Die U.S. Chamber of Commerce zum Beispiel drängt die Regierung, „alle Zölle auf Medikamente und medizinische Ausrüstung zu beseitigen“. Viele Mitglieder des Kongresses fordern auch zollbezogene Erleichterungen, so zum Beispiel am 26. März (für alle Importe während der Krise) und am 2. April (für die medizinische Versorgung während der Krise). Senator Charles Grassley (R-Iowa), der prominenteste Senator für Handelspolitik, drängt die Trump-Administration ebenfalls zu ähnlichen Formen der Erleichterung und drängt Trump, während der Pandemie keine neuen Zölle zu erheben. Bemerkenswerterweise lehnte der Kongress es ab, die Regierung zu zwingen, solche Zollerleichterungen im CARES-Gesetz zu akzeptieren; es bleibt abzuwarten, ob der Kongress auf Maßnahmen besteht, da er diesen Monat einen „Gesetzentwurf der Phase 4“ vorbereitet. Im  Kongress könnte sich etwa noch mehr Unmut zeigen, wenn Präsident Trump noch mehr Zölle, z.B. auf Rohöl, auferlegt. 

Die Trump-Administration hingegen scheint sich zu einem scheibchenweisen Vorgehen entschieden zu haben, indem sie von Fall zu Fall vorübergehende Ausschlüsse statt pauschaler Suspendierungen gewährt. So hat die Regierung beispielsweise bei den China-bezogenen Zöllen etwa 200 Ausschließungsanträgen aufgrund medizinischer Notwendigkeit stattgegeben. Dazu gehört eine Reihe von PSA wie Masken, Handschuhe und Kittel. Die Regierung hat jedoch auch Anträge auf Erleichterungen abgelehnt, unter anderem von den Herstellern von Purell-Handdesinfektionsmitteln. Darüber hinaus hat die Regierung vor kurzem das Ausschlussverfahren für die Listen 1 und 2 der China-bezogenen Zölle wieder aufgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Pandemie. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Listen 1 und 2 (mit einem jährlichen Einfuhrvolumen von etwa 50 Milliarden Dollar) als ein Schlüsselelement der China-Strategie des Weißen Hauses betrachtet werden. Zum Vergleich: Sowohl die EU als auch das Vereinigte Königreich haben auf die Einfuhrzölle für medizinische Güter verzichtet. 

Innerhalb der Trump-Administration hat sich auch eine heftige interne Debatte darüber entwickelt, ob die Erhebung aller Importzölle für einen bestimmten Zeitraum vorübergehend ausgesetzt werden soll. Es wird nun erwartet, dass das Weiße Haus bei einer solchen Anordnung vorankommt, aber nur für die „Meistbegünstigungszölle“ und nicht für die Zölle, die mit Trumps Handelskrieg verbunden sind. Dies bedeutet, dass die Erleichterungen nicht für die neuen Zölle gelten würde, die in den letzten 24 Monaten angewandt wurden (einschließlich der Zölle, die sich aus dem Boeing-Airbus-Streit ergeben haben).   

Um den immensen Bedarf an Beatmungsgeräten zu decken, hat die Trump-Administration auch zum ersten Mal eine Notfall-Kriegsbefugnis (den Defense Production Act) aktiviert, der die amerikanischen Autohersteller General Motors und Ford zur Herstellung von Beatmungsmaschinen verpflichtet. G.M. kooperiert mit Ventec, das in Indiana baut; Ford arbeitet mit GE Healthcare zusammen, um die Kapazität zur Herstellung von 30.000 Stück pro Monat aufzubauen. Bemerkenswert ist auch, dass China den Vereinigten Staaten in einer stark publikumswirksamen Geste 1.000 Beatmungsgeräte gespendet hat. 

Je nachdem, wie lange Präsident Trump im Amt bleibt, könnte von neuen Zöllen für medizinische Produkte aus Gründen der nationalen Sicherheit abgesehen werden. Trotz der großzügigen Hilfe Chinas während der Krise, wird die Skepsis gegenüber China in Washington nur noch weiter zunehmen. Der Kongress hat in seinem Rettungsgesetz einen Bericht über „die Sicherheit der Lieferkette für medizinische Produkte in den Vereinigten Staaten“ angeordnet – ein indirekter Seitenhieb auf China. Senator Tom Cotton (R-Arkansas) und der Abgeordnete Mike Gallagher (R-Wisconsin) haben jetzt ebenfalls einen Gesetzentwurf eingebracht, der es Regierungseinrichtungen verbieten würde, Arzneimittel mit chinesischen Inhaltsstoffen zu kaufen.