Die Woche in Washington — Bernie Sanders ist jetzt der demokratische Spitzenreiter für die Präsidentschaftskandidatur

Von Andrew C. Adair, J.D.

1.Sanders wird demokratischer Spitzenreiter nach dem Nevada-Caucus

Senator Bernie Sanders hat am vergangenen Wochenende den Nevada Caucus gewonnen – den dritten Wettbewerb im demokratischen Präsidentschaftsvorwahlprozess. Sanders gewann fast die Hälfte der Wähler (47 Prozent) unter sieben Kandidaten und ist durch seinen Sieg in Nevada zum Spitzenreiter der Demokraten und zum Favoriten für die Nominierung im Juli geworden.

Sanders Leistung in Nevada stellt einen Wendepunkt in den Vorwahlen dar und zeigt eine Entwicklung, die in Iowa und New Hampshire nicht erkennbar war. Zunächst gewann er in einem Erdrutschsieg und schlug den zweitplatzierten Vizepräsidenten Joe Biden mit mehr als 2:1. Zudem zeigte Sanders, dass er nicht-weiße Wähler – vor allem Afroamerikaner und Hispanics – anziehen kann, zwei unverzichtbare Gruppen innerhalb der demokratischen Wählerschaft, um die Sanders in der Vergangenheit gekämpft hatte. Nevada hat eine bedeutende nicht-weiße Bevölkerung (17 Prozent der wahlberechtigten Wähler sind Hispanoamerikaner und 10 Prozent Afroamerikaner) und ähnelt demographisch der Demokratischen Partei (und den USA insgesamt) vielmehr als Iowa und New Hampshire. Andere Herausforderer wie Bürgermeister Pete Buttigieg, der Kopf an Kopf mit Sanders in Iowa und New Hampshire kandidierte, konnten die Unterstützung der schwarzen und hispanischen Wähler nicht in diesem Masse gewinnen.

Sanders’ Aufschwung spaltet nunmehr die Demokratische Partei und ähnelt der Dynamik zwischen Donald Trump und der Republikanischen Partei während des Wahlkampfs 2016. Eine Reihe von etablierten Persönlichkeiten innerhalb der Partei äußern offen ihre Befürchtung, dass eine Nominierung Sanders’ eine Wiederwahl Trumps im Herbst garantieren würde (z.B. dieses Memo, das am Wochenende von Third Way veröffentlicht wurde – einem Think Tank, der sich mit den zentristischen Demokraten sowie mit Bill Clintons ehemaligem Wahlkampfmanager James Carville verbündet hat). Sanders selbst hat bekräftigt, dass das „demokratische Establishment“ gegen ihn sei. Die 2016 für die Demokraten nominierte Hillary Clinton war diese Woche in Berlin und hat weiter ihre Skepsis gegenüber Sanders zum Ausdruck gebracht (obwohl sie zugesagt hat, den Kandidaten zu unterstützen). Aber trotz Sanders politischer Nachteile zeigen viele Umfragen auch, dass Sanders ähnlich Werte wie die meisten anderen demokratischen Kandidaten gegen Trump erzielt – auch in den entscheidenden Bundesstaaten Pennsylvania und Michigan. 

Je näher Sanders der Nominierung kommt, desto mehr wird sich die Aufmerksamkeit und Kritik auf sein politisches Programm und seine stark innenpolitisch geprägten Positionen richten (z.B. „Medicare (Gesundheitsversorgung) für alle“, Kinderbetreuung, Vermögenssteuer, Erlass der Studienschulden usw.). Relevant für Deutschland: Sanders erklärte am Wochenende in einem Fernsehinterview, dass er „an die NATO glaubt“ und „Bedrohungen unserer Verbündeten“ als Grund für eine militärische Intervention sieht. Dies steht im Gegensatz zu Präsident Trump, der zeitweise bezweifelt hatte, dass die Vereinigten Staaten nach Artikel V des Washingtoner Vertrags noch immer zur kollektiven Verteidigung verpflichtet sind. (Insbesondere treffen seit Tagen Truppen und Ausrüstung der Vereinigten Staaten für „Defender Europe 20“ – die größte NATO-Übung seit etwa 25 Jahren – in Deutschland ein). Im Gegensatz zu Trump hat Sanders versprochen, die Militärausgaben zu reduzieren.  

Sanders’ Gesundheit wird auch weiterhin ein Thema der Kampagne sein; er wird am Tag seiner Amtseinführung 79 Jahre alt sein und im Oktober 2019 erlitt er bereits einen Herzinfarkt. Sanders Kampagne hat zwar Arztberichte veröffentlicht, aber keine „umfassenden“ medizinischen Unterlagen, die er bis Ende 2019 herauszugeben versprach. Gleichzeitig sind jedoch drei weitere Kandidaten der Demokraten mindestens 70 Jahre alt (Bloomberg, Biden und Senatorin Elizabeth Warren). Präsident Donald Trump ist 73 Jahre alt. 

Von den verbleibenden Kandidaten ist Biden möglicherweise der einzige, der noch eine realistische Chance hat, die Mehrheit der Delegierten zu gewinnen. Biden war während des größten Teils der Wahlkampfsaison 2019 Spitzenreiter und führte im vergangenen Frühjahr mit mehr als 25 Punkten vor Sanders. Allerdings muss er am Samstag in South Carolina einen entscheidenden Sieg erringen, um überhaupt eine Chance zu haben. Bidens zweiter Platz in Nevada war schwach, und er braucht mindestens einen sehr starken Sieg, um seine Kampagne beim „Super Tuesday“ nächste Woche voranzubringen. Der einflussreiche Politiker James Clyburn (D-South Carolina) plant, Biden heute zu unterstützen, was Biden helfen könnte. Für die übrigen Kandidaten (Bloomberg, Warren, Buttigieg, Senatorin Amy Klobuchar und Tom Steyer) könnte es schwierig werden Sanders einzuholen. 

Wichtig ist, dass die Chancen weiter steigen, dass kein Kandidat im Juli mit den 1.991 Delegierten, die für die Nominierung erforderlich sind, auf dem Demokratischen Parteitag antritt. Die politische Webseite 538 beziffert die Chancen für dieses Szenario (ein so genannter „umkämpfter Parteitag“) nun auf 43 Prozent – in den vergangenen drei Wochen ist die Wahrscheinlichkeit stark gestiegen. In einem solchen Fall stellte sich die Frage, ob der Kandidat mit den meisten Delegierten sich anmaßen sollte, die Nominierung einzufordern. Bei der Debatte in Nevada letzte Woche forderte Sanders, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen nominiert werden sollte. Die übrigen fünf Kandidaten forderten, dass der Nominierungsprozess bis zum Ende durchlaufen werden sollte, bevor der finale Kandidat gekürt wird. Die Entwicklungen in den nächsten Wochen bleiben spannend. Am Super Tuesday (3. März) stehen 1.357 Delegierte zur Verfügung, und mehr als die Hälfte der insgesamt 3.979 Delegierten werden bis zum 17. März designiert 

2. Grenell verlässt das Botschafteramt möglicherweise früher als erwartet  

Präsident Donald Trump sagte am Sonntag, dass er plant, einen neuen Botschafter als Nachfolger von Ric Grenell in Berlin zu nominieren, was darauf hindeutet, dass Grenells Amtszeit als Botschafter in Deutschland bald enden könnte. Grenell ist bereits der amtierende US-Geheimdienstkoordinator (DNI) geworden – eine überraschende Ernennung, die ohne Bestätigung durch den Senat sofort wirksam wurde. Der DNI-Job (egal ob befristet oder bestätigt) ist eine große Verantwortung und nicht damit vereinbar, gleichzeitig als Botschafter in Europa zu dienen. Daher ist die Ankündigung, einen Nachfolger zu ernennen, nicht völlig überraschend, auch wenn Grenells Rolle als amtierender DNI voraussichtlich nur 90 Tage dauern wird. (Grenell ist derzeit außerdem Sondergesandter für die Friedensverhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo). 

Es ist zu erwarten, dass Grenell als amtierender DNI weiterhin mit Nachdruck dafür eintreten wird, dass Deutschland und andere westliche Verbündete Huawei den Aufbau neuer 5G-Kommunikationsnetze verbieten. Grenell hat für Kontroversen gesorgt, indem er gedroht hat, den Informationsaustausch mit Deutschland einzuschränken, wenn es ihm nicht gelänge, Huawei verbieten zu lassen. Insbesondere die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi (D-Kalifornien), wiederholte eine ähnliche Warnung vor der Zusammenarbeit mit Huawei (ohne die Drohung, die Geheimdienst-Zusammenarbeit einzuschränken). Grenell hat auch die Höhe der deutschen Verteidigungsausgaben und das Nord Stream 2-Pipeline-Projekt kritisiert. 

Die Ankündigung von Trump wirft die Frage auf, was Grenell nach dem Ende seiner Amtszeit als amtierender DNI Ende Mai tun könnte. Er könnte zum Beispiel als Botschafter zurücktreten und eine Position in der Trump-Kampagne einnehmen. Das lässt die Möglichkeit offen, dass es – wie es derzeit in Brüssel der Fall ist – keinen Botschafter in Berlin geben würde. Realistischerweise wird es eine Herausforderung sein, den Nachfolger von Grenell vor den US-Wahlen am 3. November zu nominieren und zu bestätigen. Der Prozess der Überprüfung eines Kandidaten und der Aufnahme in den Senatskalender kann selbst unter den besten Umständen viele Monate dauern. Es kann auch eine Herausforderung sein, einen willigen Kandidaten so kurz vor einer Wahl (bzw. möglichen Abwahl Trumps) zu finden.     

Es wird erwartet, dass Präsident Trump bis zum 11. März einen Kandidaten für das Amt des ständigen DNI nominiert. Zu den Namen, die für den Posten des ständigen DNI in Frage kommen, gehören Botschafter Pete Hoekstra (ehemals Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses) und US-Abgeordneter John Ratcliffe (R-Texas).