Die Woche in Washington — Die USA und China treten in einen „neuen Kalten Krieg“ ein

von Andrew C. Adair, J.D. 

1. Vertrauen und Zusammenarbeit zwischen den USA und China erreichten neue Tiefststände

Präsident Trump und andere Regierungsvertreter bringen eine zunehmende Feindseligkeit gegenüber China zum Ausdruck, China wird für die Pandemie in den USA verantwortlich gemacht. Präsident Trump nannte es diese Woche einen „Angriff“, der schlimmer als Pearl Harbor oder 9/11 sei. Mindestens ein US-Geheimdienst ist zu dem Schluss gekommen, dass China das Ausmaß und die Gefahr von Covid-19 vor der internationalen Gemeinschaft verheimlicht hat, und US-Regierungsbeamte bezeichnen China als „schuldig“ für den Schaden.   

Besonders provokant ist der vom Präsidenten und anderen hohen Ministern (z.B. Mike Pompeo, Peter Navarro) Insinuierung, dass das Virus von Menschenhand hergestellt wurde und seinen Ursprung im Wuhaner Institut für Virologie habe – eine Ansicht, die von den US-Geheimdiensten und vielen Spitzenwissenschaftlern, darunter Dr. Fauci, derzeit nicht geteilt wird. Die US-Regierung schaut sich auch die Universität von Texas und ihre Verbindungen zum Wuhan-Labor an. Vor allem das Wall Street Journal (oft in Übereinstimmung mit Präsident Trump) hat das Weiße Haus aufgefordert, die Beweise zu veröffentlichen, „wenn sie nicht wollen, dass das Thema als ein antichinesischer Wahlkampftrick abgetan wird“. Dennoch ist China bereits zu einem Schlüsselthema der 2020-Kampagne geworden. Ein im vergangenen Monat veröffentlichtes GOP-Kampagnenmemo empfiehlt republikanischen Kandidaten, „China anzugreifen“ und die Demokraten als chinafreundlich darzustellen. Eine offene Frage ist, ob die Trump-Administration neue Sanktionen verhängen wird; ein hochrangiger Beamter des Weißen Hauses sagte, Trump erwäge dies derzeit nicht.   

Peking rhetorisch für Covid-19 verantwortlich zu machen, beschleunigt jedoch die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China. Allein in dieser Woche sagte Mike Pompeo, Trump versuche, „40 Jahre der Beschwichtigung zu korrigieren“. Die neue Sprecherin des Weißen Hauses beschrieb die bilateralen Beziehungen als eine „Enttäuschung und Frustration“. Ein ehemaliges Mitglied des Wirtschaftsrates von Präsident Trump sagte „dies ist der Beginn eines neuen Kalten Krieges.“ Ein anderer mit Joe Biden verbundener Experte meinte, die Beziehungen seien an ihrem schlechtesten Punkt seit 50 Jahren. Diese Positionen stimmen auch mit der öffentlichen Meinung überein: Laut einer Pew-Umfrage haben zwei Drittel der Amerikaner inzwischen eine negative Sicht auf China. Gallup veröffentlichte im März ein ähnliches Ergebnis. Chinas eigene Geheimdienste kommen zu dem Schluss, dass die globale Anti-China-Stimmung auf dem höchsten Stand seit dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens 1989 sei

Vor diesem Hintergrund ist ein Zusammenbruch des Phase One-Handelsabkommens sehr wahrscheinlich. Schon vor der Pandemie glaubten viele, dass China Schwierigkeiten haben würde, die 200 Milliarden Dollar an neuen Gütern und Dienstleistungen zu erwerben, die das Abkommen erfordert – eine Schlüsselpriorität der Trump-Regierung. Präsident Trump hat sogar damit begonnen, öffentlich mit der Annullierung des Abkommens zu drohen, falls China die Kaufziele nicht erreichte. Einem Bericht zufolge beschleunigt Covid-19 unabhängig von der Zukunft der ersten Phase die Pläne der Regierung, die Lieferketten von China zu entkoppeln. Wir werden die erste Diskussion auf Ministerebene, die in der nächsten Woche zwischen den beiden Seiten seit der Unterzeichnung des Abkommens geführt wird, beobachten, um zu erfahren, wie es weitergeht. Das Abkommen sieht einen Konsultationsmechanismus für den Fall vor, dass eine Naturkatastrophe oder ein anderes Ereignis, das außerhalb der Kontrolle der Parteien liegt, die Durchführung verhindert; bisher hat sich China nicht auf diese Klausel berufen

Dieser Trend zum Protektionismus wird sich im Laufe des Jahres weiter beschleunigen: Das Weiße Haus enthüllt weiterhin Maßnahmen zum Schutz der einheimischen Industrie, z.B. eine neue „Buy American“-Verordnung zur Sicherung des amerikanischen Massenstromsystems, eine neue Untersuchung von Transformatorenkomponenten sowie Mobilkränen (letztere erwähnt ausdrücklich die deutsche Industrie). 

Der Kongress wird auch weiterhin Gesetzesvorlagen einreichen, die China zum Ziel haben. Diese Vorschläge könnten auch in Europa zu spüren sein: Senator Tom Cotton (R-Arkansas) zum Beispiel hat einen Antrag entworfen (der sich gegen Großbritannien richtet), der verhindern würde, dass neue, moderne US-US-Militärflugzeuge in Staaten stationiert werden, die 5G- und 6G-Netze mit „Risikoverkäufern“ (Huawei oder ZTE) aufbauen. Dies ist wahrscheinlich eine Vorschau auf das, was noch kommen wird; nicht nur das Weiße Haus, sondern auch der Kongress wird die Verbündeten nach Kräften drängen, sich von China abzukoppeln.  

2. Wirtschaftliches Update

Der heute vom U.S. Bureau of Labor Statistics (für den Zeitraum vom 15. März bis 18. April) veröffentlichte monatliche Arbeitsplatzbericht wird das volle Ausmaß des durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schadens aufzeigen. Es wird erwartet, dass die Arbeitslosenquote im Bereich von 15-20 Prozent liegen wird – vergleichbar mit dem Niveau der 1930er Jahre. Die Gesamtzahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung seit Mitte März übersteigt jetzt 33 Millionen, und allein die Arbeitsplatzverluste im April sind mehr als doppelt so hoch wie während der Finanzkrise von 2009. Besonders besorgniserregend ist die Aussicht, dass viele dieser Arbeitsplatzverluste (42 Prozent laut einer Analyse) dauerhaft sein könnten. Dies verdeutlicht das Ausmaß der Krise: US-Finanzminister Steven Mnuchin hatte den Kongress im März davor gewarnt, dass eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent ein Worst-Case-Szenario darstellen würde, falls der Kongress nicht eingreifen würde. In den letzten acht Wochen hat der Kongress nun rund 3 Billionen Dollar an Rettungspaketen ausgegeben. 

Die letzten Wirtschaftsdaten vom März wurden letzte Woche veröffentlicht und bieten einen Ausblick auf die düsteren Statistiken, die noch kommen werden. Das US-Handelsministerium (Bureau of Economic Analysis) gab bekannt, dass die Verbraucherausgaben im März um rekordverdächtige 7,5 Prozent zurückgegangen seien, und kündigte auch einen deutlichen Rückgang sowohl des Export- als auch des Importvolumens im März an (20 Milliarden bzw. 15 Milliarden US-Dollar). Das BEA gab bekannt, dass die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2020 um 4,8 Prozent geschrumpft sei, was auf eine weit größere Schrumpfung (bis zu 40 Prozent) im zweiten Quartal hindeutete. 

3. Transatlantische Handels-Updates 

  • Boeing / Airbus. Interessant bleibt, ob Boeing die bis zu 17 Milliarden Dollar an Steuerzahler-Rettungsfonds aus dem „CARES Act“ beantragen wird. Dies könnte zu einer Beilegung des 16 Jahre andauernden Subventionsstreits zwischen den USA und der EU führen. Boeing hat zunächst beschlossen, stattdessen 25 Milliarden Dollar durch ein Anleiheangebot zu generieren, was bedeutet, dass das Unternehmen möglicherweise in der Lage ist, die Covid-19-Krise ohne Hilfe der US-Steuerzahler zu bewältigen. Das Unternehmen lehnte die Hilfe wahrscheinlich aufgrund der Einschränkungen ab, die mit der Hilfsleistung verbunden gewesen wären, darunter eine Kapitalbeteiligung der US-Regierung und der weitgehende Verlust der Kontrolle über das Management. Angesichts der Entscheidung von Boeing hat der US-Handelsbeauftragte seine Position verhärtet und der WTO mitgeteilt, dass es „keine gültige Grundlage“ gebe, die es der EU erlauben würde, gleichlaufende Massnahmen zu ergreifen.  
  • Vereinigtes Königreich. Die Handelsgespräche zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien haben offiziell begonnen und werden ausschließlich per Telefonkonferenz stattfinden. Nach der eigenen Analyse des Vereinigten Königreichs werden die erwarteten Vorteile eines Freihandelsabkommens äußerst bescheiden ausfallen. Großbritannien hat auch weniger als sieben Monate Zeit, um sein Abkommen mit der EU abzuschließen und einen harten Brexit zu vermeiden. 
  • Nord Stream 2. Ein russisches Schiff ist in der Ostsee eingetroffen, welches die Nord Stream 2-Pipeline fertig stellen könnte. Die Sanktionsdrohung, die der US-Kongress vor sechs Monaten verhängte, hat einen abschreckenden Effekt auf die Schweizer Allseas SA, wird aber vermutlich ein russisches Schiff nicht davon abhalten, den Bau fertig zu stellen.

4. Trump legt Veto gegen eine mögliche Machtbeschränkung durch den Kongress ein 

Donald Trump hat sein Veto gegen eine Resolution des US-Kongresses eingelegt, welche die Macht des Präsidenten zur Anwendung militärischer Gewalt gegen den Iran einschränken würde. Der Senat versuchte gestern, das Veto aufzuheben, scheiterte jedoch (mit 49 zu 44 Stimmen). Dies stellt einen weiteren Fall von bescheidener parteiübergreifender Zusammenarbeit im Kongress dar, um das Weiße Haus zurückzuhalten – ein ziemlich seltenes, aber nicht beispielloses Ereignis während der Trump-Präsidentschaft. 

Das prominenteste derartige Beispiel fand 2017 statt, als der Kongress entgegen den Wünschen des Weißen Hauses mit überwältigender Mehrheit antirussische Sanktionen verhängte. Später versuchte (und scheiterte) der Kongress auf parteiübergreifender Basis, Trumps Aufhebung der Sanktionen gegen Oleg Deripaska, einen russischen Oligarchen, zu verhindern. Die meisten anderen derartigen Fälle beziehen sich ebenfalls auf auswärtige Angelegenheiten, z.B. ein Versuch, Waffenverkäufe an Saudi-Arabien zu blockieren, und ein Versuch, die Unterstützung für die saudischen Operationen im Jemen zu beenden. 

5. Justin Amash wird als Drittkandidat ins Präsidentschaftsrennen eintreten

Der US-Abgeordnete Justin Amash ist als unabhängiger Kandidat in den Präsidentschaftswahlkampf 2020 gegangen, um gegen Präsident Trump und den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden anzutreten. Amash wird keine Chancen haben, könnte aber Joe Biden schwächen, insbesondere im wichtigen Heimatstaat von Amash, Michigan. Es ist ist schwer zu sagen, ob derartige unabhängige Kandidaten das “Zünglein an der Waage” im Präsidentschaftswahlkampf sein können, die einen Kandidaten den Sieg kosten. In der Vergangenheit könnten etwa Ross Perot (1992) und Ralph Nader (2000) eine wesentliche Rolle bei den Ergebnissen der damaligen Rennen um das Weiße Haus gespielt haben. Perot kostete George H.W. Bush und Nader Al Gore wichtige Unterstützung.