Die Woche in Washington — Die geschlagene Nation beginnt langsam wieder zu öffnen

von Andrew C. Adair, J.D. 

1. US-Wirtschaft

Selbst während die Beschränkungen in allen 50 Bundesstaaten (mit Ausnahme des District of Columbia) gelockert werden, durchlebt die amerikanische Wirtschaft weiterhin ein beispielloses Trauma. Fast ein Viertel der amerikanischen Erwerbsbevölkerung (36 Millionen Menschen) hat in den letzten zwei Monaten Arbeitslosenunterstützung beantragt. Die Einzelhandelsumsätze gingen im April massiv zurück (16,4 Prozent gegenüber März und übertrafen damit die Prognosen). Die Einzelhandelsumsätze machen die Hälfte aller Verbraucherausgaben aus, die wiederum 70 Prozent der US-Wirtschaft widerspiegeln. Der Hauptwirtschaftsberater der Allianz nannte es den „schlimmsten Einbruch der Einzelhandelsumsätze, der jemals verzeichnet wurde“. Der Außenwirtschaftschef des deutschen Industrie- und Handelskammerstages (DIHK) berichtete, dass der Einbruch der Nachfrage nach deutschen Exporten in die Vereinigten Staaten (Deutschlands größtem Kunden) viel dramatischer sei als in anderen Ländern, „nicht zuletzt weil das soziale Sicherungssystem dort relativ schwach ausgeprägt ist.“

Der Vorsitzende der US-Notenbank (Federal Reserve), Jerome Powell, verkündete letzte Woche, dass die Rezession „ohne modernen Präzedenzfall“ sei und der amerikanischen Wirtschaft dauerhaften Schaden zuzufügen droht – eine Bemerkung, die für den Niedergang der Märkte verantwortlich gemacht wird. Die Federal Reserve veröffentlichte letzte Woche eine Studie, die bestätigt, dass 20 Prozent der amerikanischen Erwachsenen ihren Arbeitsplatz verloren haben – und zwar insbesondere diejenigen am unteren Ende des wirtschaftlichen Spektrums (39 Prozent derer, die weniger als 40.000 Dollar jährlich verdienen). Powell äußerte sich am Sonntag optimistischer und sagte, er sei „sehr zuversichtlich“, dass sich die US-Wirtschaft letztendlich vollständig erholen werde und dass der Fed „bei weitem nicht die Munition ausgeht“. 

2. Trump-Administration enthüllt „America First“-Impfstoffstrategie

Das Weiße Haus hat die Strategie zur Entwicklung eines Impfstoffs für COVID-19 (genannt „Operation Warp Speed“) gestartet. Ziel der Initiative ist es, die Entwicklung zahlreicher Impfstoffkandidaten zu finanzieren und bis Ende des Jahres Hunderte von Millionen Dosen herzustellen. Die Bemühungen werden von einem Armeegeneral (General Gustave F. Perna) und einem Wissenschaftler (Moncef Slaoui, ehemaliger Vorsitzender der Impfstoff-Abteilung des GlaxoSmithKline plc) geleitet. Bei der Ankündigung am vergangenen Freitag drückte Dr. Slaoui seine Zuversicht über die Erfolgsaussichten der Bemühungen aus. Dr. Fauci sagte in der letzten Woche bei einer Senatsanhörung aus, dass ein Impfstoff „eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich“ sei, legte aber keinen Zeitplan fest.

Einer der vielversprechendsten Impfstoffkandidaten gehört der Firma Moderna, Inc., die am Montag positive Daten im Zusammenhang mit ihrer Phase-1-Studie bekannt gab. Die daraus resultierende Markterholung (und der darauf folgende Rückgang, nachdem das Ärzteblatt Stat eine Kritik an der Veröffentlichung von Moderna bekannt gemacht hatte) zeigen, wie begierig die Märkte nach positiven Nachrichten sind. Nichtsdestotrotz hat die U.S. Food and Drug Administration (FDA) dem Impfstoffkandidaten von Moderna nun eine vorrangige Prüfung gewährt, was bedeutet, dass die FDA innerhalb von sechs Monaten entscheiden wird, ob der Impfstoff zugelassen werden kann. Die FDA hat jetzt auch den ersten Antigentest für Covid-19 genehmigt – ein zwar sehr schneller, aber weniger akkurater Test.

Die Operation Warp Speed soll mit einer begrenzten internationalen Zusammenarbeit auskommen, insbesondere mit China. Dieser „America First“-Ansatz zur Entwicklung eines lebensrettenden Impfstoffs hat Kritik hervorgerufen, da der Wirkstoff letztlich weltweit verbreitet werden müsste. Zum Vergleich: Die Europäische Union hat eine globale Anstrengung gestartet, die Partnerländer und private Akteure wie die Bill and Melinda Gates Foundation zusammenbringt. (Es gibt auch viele andere Bemühungen – zum Beispiel im Vereinigten Königreich). Unabhängig davon hat Präsident Trump die Weltgesundheitsorganisation nun auch in einem Brief darüber informiert, dass die Vereinigten Staaten ihre Mitgliedschaft in der Organisation überdenken werden, wenn innerhalb von 30 Tagen keine bedeutenden Reformschritte unternommen werden.  

3. COVID-19 beschleunigt die Entkopplung zwischen den USA und China an allen Fronten 

Die Pandemie beschleunigt die wirtschaftliche Entkopplung der Vereinigten Staaten und Chinas auf allen Ebenen. Schlüsselakteure innerhalb der Trump-Administration (z.B. der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer und der Staatssekretär für Wirtschaft im Außenministerium Keith Krach) haben ausdrücklich auf Covid-19 als Katalysator für die anhaltenden Bemühungen um die „Verlagerung“ von Arbeitsplätzen in der verarbeitenden Industrie in die Vereinigten Staaten hingewiesen.

In einem ungewöhnlichen Schritt hat die Trump-Administration die amerikanische Behörde für internationale Entwicklung damit beauftragt, bei der Wiederauffüllung des strategischen nationalen Vorrats an pandemiebedingten Lieferungen zu helfen, und zwar insbesondere durch „Neuverlagerung der inländischen Produktion“. Diese Behörde („U.S. Development Finance Corporation“ auch „DFC“) die im vergangenen Jahr vom Kongress gegründet wurde, wird Unternehmen 1 Milliarde Dollar leihen, um den nationalen Lagerbestand mit einem 90-Tage-Vorrat an Ausrüstung aufzufüllen (300 Millionen N95-Schutzmasken, 67 Millionen medizinische Kittel sowie Medikamente und Testmaterial). Der Chef des DFC, Adam Boehler, war früher in der Gesundheitsbranche tätig und hat enge Verbindungen zu Jared Kushner. Die Trump-Administration hat auch einen Vertrag mit der Phlow Corp. unterzeichnet, um einen Teil der Herstellung von pharmazeutischen Inhaltsstoffen in die Vereinigten Staaten zu verlagern.  

Das Weiße Haus baute letzte Woche eine weitere Schicht des neuen „digitalen Eisernen Vorhangs” auf: Das US-Handelsministerium signalisierte, dass wahrscheinlich am 13. August endgültig das Exportverbot, welches US-Firmen die Belieferung von Huawei verbietet, in Kraft treten wird. Außerdem erweiterte das Handelsministerium das Verbot nicht nur auf in den USA ansässige Hersteller, sondern auch auf ausländische Produzenten, die amerikanische Technologie und Software im Herstellungsprozess verwenden. Unter dem erweiterten Exportverbot wird jeder Exporteur weltweit, der Artikel an Huawei versenden möchte, die ein „direktes Produkt“ amerikanischer Technologie und Software sind, eine US-Exportlizenz benötigen. Betroffene Unternehmen (z.B. die Taiwan Semiconductor Manufacturing Co., die angekündigt hat, keine Bestellungen mehr von Huawei anzunehmen) können bis zum 14. Juli Kommentare an das Handelsministerium senden. Das Inkrafttreten dieser Regelung wird für Mitte September erwartet. 

Es sei darauf hingewiesen, dass Lieferketten letztlich eine Vielzahl von Verträgen und Geschäftsentscheidungen beinhalten, die nur sehr zeitverzögert und unter grossem Aufwand ersetzt werden können. Senator Thom Tillis (R-North Carolina), ein Fachmann für Lieferketten und ein Gefolgsmann von Präsident Trump, stimmte letzte Woche zu, dass sich die internationalen Lieferketten weiterhin von China weg verlagern werden, dass dies jedoch Jahre dauern und „nicht schnell geschehen“ werde. Darüber hinaus wird es Verlagerungen in andere Staaten, wie etwa Vietnam oder Indien geben. Hinzu kommt, dass viele Waren, die US-Unternehmen in China produzieren, für den chinesischen Verbrauchermarkt bestimmt sind. Der Widerstand gegen ein “Reshoring” wird hier besonders stark sein.

Die Trump-Administration hat auch den Thrift Savings Plan – ein Pensionsfonds für US-Regierungsangestellte mit einem Vermögen von 600 Milliarden Dollar – davon überzeugt, eine geplante Investition von 4,5 Milliarden Dollar in chinesische Aktien zu verzögern. Das Weiße Haus setzte sich mit Unterstützung sowohl der Republikaner als auch der Demokraten im Kongress mit Nachdruck gegen die Transaktion ein. Die Nasdaq plant die Veröffentlichung neuer Regeln, um chinesischen Firmen die Notierung an dieser Börse zu erschweren. Senator John Kennedy (R-Louisiana) hat einen Gesetzentwurf eingebracht, um chinesischen Firmen, die an amerikanischen Börsen notieren, strengere Standards aufzuerlegen. Senator Lindsey Graham (R-South Carolina) und andere prominente Republikaner im Kongress entwerfen einen Gesetzentwurf, der China zwingen soll, eine glaubwürdige Erklärung über den Ursprung der Pandemie abzugeben, Wildtiermärkte zu schließen und pro-demokratische Befürworter in Hongkong freizulassen.

Im Zusammenhang mit den Handelsstreitigkeiten mit China ist jedoch wichtig, dass die Trump-Administration einzelne Forderungen aus dem Kongress nach einem Austritt aus der WTO nicht unterstützt und stattdessen auf einer Reformagenda besteht. Auch die für die Handelspolitik verantwortlichen Ausschüsse im Kongress befürworten den Austritt aus der WTO nicht. Der „Ways and Means Committee“ des Repräsentantenhauses beispielsweise verabschiedete im Dezember einen Gesetzentwurf, der vorsieht, dass „die Vereinigten Staaten weiterhin die Führung bei den Reformbemühungen übernehmen sollten“, anstatt sich ganz aus der WTO zurückzuziehen. Aus diesem Grund glauben wir, dass die Bemühungen von Senator Josh Hawley (R-Missouri) und Abgeordnetem Peter DeFazio (D-Oregon) um einen Austritt aus der WTO scheitern werden. Überraschenderweise hat der WTO-Generaldirektor auch seinen vorzeitigen Rücktritt (am 31. August) angekündigt, was eine weitere unmittelbare Herausforderung für die Organisation darstellt.

4. Könnte China durch die Entkoppelung eine neue transatlantische Angleichung beschleunigen?

Bei der Anwerbung internationaler Partner für seine Bemühungen gegen China hat die Trump Administration damit begonnen, die gewünschten internationalen Angleichungen in die Form eines Netzwerks für wirtschaftlichen Wohlstand zu giessen. Hierbei sollen „Länder, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Gruppen“ durch einen „Rahmen gemeinsamer Betriebsstandards für eine Vielzahl von Industrien“ verbunden werden. Auch wenn die meisten internationalen Treffen derzeit digital stattfinden, hat der US-Außenminister Mike Pompeo letzte Woche Israel persönlich besucht, teilweise auch um Israel zu drängen, sich von China zu lösen.

Während die Welt versucht die Pandemie zu überwinden, werden Deutschland und Europa wohl weiter Druck verspüren, sich in dem System einen neuen Kalten Krieges – diesmal zwischen den USA und China – zu positionieren. Klar ist, dass man Washington parteiübergreifend darauf vertraut, dass sich Europa bei dieser Frage für den transatlantischen Partner entscheidet. Zwei prominente ehemalige Beamte der Trump Administration schrieben Anfang des Monats, dass sich die USA in ihrem Bemühen, China einzudämmen, „mit Ländern verbünden sollten, die ihre Interessen in Asien, Europa und darüber hinaus teilen“. Der Denkfabrik Heritage Foundation hat ein „U.S.-Europäisches Programm zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Partnerschaft“ veröffentlicht. Dies könnte immer schwieriger werden, da sich die öffentliche Meinung in Deutschland – zumindest im Moment – von den Vereinigten Staaten weg und hin zu China verlagert hat. Dennoch behaupten einige prominente deutsche Stimmen wie Matthias Döpfner unmissverständlich, dass Europa an die Vereinigten Staaten halten sollte. Ein amerikanischer Akademiker ermutigt Deutschland sogar, „wieder eine Großmacht zu werden“.  

EU-Kommissar Phil Hogan versucht sogar, die laufenden Handelsgespräche mit den Vereinigten Staaten zu einer „transatlantischen Agenda für den Aufschwung“ umzuformulieren, zu der auch die Beilegung des Streits über Flugzeugsubventionen (mit Schwerpunkt auf dem Wettbewerb mit China), die Klärung offener Zollfragen sowie die Bildung gemeinsamer Reserven an medizinischer Ausrüstung für die gegenwärtige und künftige Reaktion auf eine Pandemie gehören würde.